Germanistik in der Schweiz. Online-Zeitschrift der SAGG 3/2006


Editorial

Elke Hentschel (Bern)


Nach längerer Pause erscheint nun wieder ein neues Heft der Zeitschrift Germanistik in der Schweiz. Es enthält jeweils einen Beitrag aus den Bereichen der Älteren und der Neueren Literaturwissenschaft sowie der Linguistik und bildet damit die drei "klassischen" Fächer der Germanistik ab. In allen drei Aufsätzen geht es im weitesten Sinne um Fragen der Richtung: der Richtung des Kulturtransfers, der Ausrichtung des Klassizismus und den Entwicklungsrichtungen, in die verschiedene Formen literaler Praxis unter dem Einfluss verschiedener Sprachen führen können.

Martina Backes (Fribourg) zeigt in ihrem Beitrag "Deutsche Literatur des Mittelalters in zeitgenössischen französischen Übersetzungen - Ein (fast) vergessenes Kapitel deutsch-französischen Kulturtransfers" einen Aspekt des kulturellen Kontaktes auf, der sonst weitgehend unbeachtet bleibt: den Transfer in die "Gegenrichtung", aus dem deutschen in den französischen Kulturbereich. Dabei behandelt sie den Transfer religiöser, juristischer und historischer Texte des Mittelhochdeutschen wie auch die Übersetzung des Ritterromans Theuderdank, den Margarethe von Österreich sich 1528 von Jean Franco übersetzen liess.

Ebenfalls um eine Richtungsfrage, sozusagen, geht es Sabine Schneider (Zürich) in ihrem Vortrag "Klassizismus, eine rückwärtsgewandte Moderne? Perspektiven auf die 'Weimarer Klassik'", der hier in seiner ursprünglichen Form als Vortrag wiedergegeben wird. Sie zeigt die Weimarer Klassik als ein Phänomen, das als Reaktion auf die wissensgeschichtlichen, erkenntnis- und zeichentheoretischen sowie medialen Modernisierungskrisen der Zeit erfolgt.

Ingo Thonhauser (Genf/Fribourg) schliesslich wendet sich in seinem Aufsatz "Literale Praxis - Mehrsprachigkeit - Sprachkonzeptualisierung" möglichen Beziehungen zwischen literarischer Praxis und Konzeptionalisierungen von Sprache und Sprachgebrauch zu. Dabei wird anhand empirischer Daten die Rolle diskutiert, die in diesem Zusammenhang der Erstsprache zukommt. so dass es auch hier, wenn man so will, um Fragen der Richtung, der Gerichtetheit geht.

Daneben ist im vorliegenden Heft erstmals auch eine Rezension enthalten: Susanne Balmer (Zürich/Bern) stellt das Buch "O Vater, lass uns ziehn!" Literarische Vater-Töchter um 1900 - Gabriele Reuter, Hedwig Dohm, Lou Andreas-Salomé von Cornelia Pechota Vuilleumier vor.