Abstract
(1) Jugendsprache in der Deutschschweiz ist als Teil der "Dialektlandschaft" der Schweiz ein außerordentlich interessanter Untersuchungsgegenstand. Das Thema "Jugendsprache" wurde in der Schweiz bislang nur am Rande von Untersuchungen zur Jugendkultur aufgegriffen. Eingehende und linguistisch orientierte Forschungen fehlen. Meine Ausführungen haben zum einen in ihrer Bezugnahme auf das in Planung befindliche Forschungsprojekt "Jugendsprache im mehrsprachigen Kanton Bern" programmatischen Charakter; zum andern argumentativ-appellierenden Charakter, wenn dafür plädiert wird, eine angewandte Dialektologie zu entwickeln.
(2) Jugendsprache als Untersuchungsgegenstand
"Jugendsprache in der Schweiz" ist ohne Zweifel ein genuiner Untersuchungsgegenstand
der Dialektologie. Der Erkenntisgewinn weist in zwei Richtungen: Erkenntnismöglichkeiten
für die Dialektologie in der Schweiz und Erkenntnismöglichkeiten für
die Dialektologie generell. Insofern Jugendsprache auch Teil des deutschschweizerischen
Dialektspektrums ist, ist die Untersuchung von Jugendsprache eigentlich "Pflichtteil"
dialektologischer Forschung.
(3) Untersuchung der Jugendsprache als Grundpfeiler einer empirischen Sprachdidaktik
Unmittelbar
einleuchtend ist - nicht erst seit PISA -, dass zielorientierte Sprach(en)didaktik
empirische Grundlagen braucht: Welch muttersprachliches, ziel- und fremdsprachliches
und fachsprachliches Potential besteht bei SekundarschülerInnen?
(4) Da dieses Potential dialektale Sprachlichkeit ist, plädiere ich hier
für die Entwicklung einer angewandten Dialektologie.
Eine angewandte Dialektologie soll aufbauend auf dem theoretisch-konzeptuellen,
methodologischen und methodischem Rüstzeug der Dialektologien (sic) zur
Beschreibung und Erklärung sprachlich-kommunikativer Phänomene in
ihrer lebensweltlichen Bedeutung beitragen, anstehende Probleme erfassen und
lösen helfen. Dabei ist Inter- und Transdisziplinarität ebenso gefragt
wie methodologische Richtlinien und gegenstandsadäquate Empirie.
Das Plädoyer für die Entwicklung einer angewandten Dialektologie mit der Programmatik der Erforschung der Jugendsprache in der Deutschschweiz zu verbinden, hängt vor allem mit dem sich momentan vollziehenden Wandel der sprachdidaktischen Paradigmen zusammen. Dieser Wandel wird aus drei Quellen gespeist: (1) Zunehmende sprachliche Heterogenität in Primar- und Sekundarstufen, (2) zunehmender Bedarf an literalen Fähigkeiten, (3) Orientierung an den z.Z. entstehenden Bildungsstandards für Sprachen unter Bezugnahme auf den Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und das Sprachenportfolio.